»Ja der Kurfürstendann kann erzählen«.
Unterhaltungsmusik in Berlin in Zeiten des Kalten Krieges                                     

von Martin Lücke

Graphik by Ramona Cacic (c) 2004
B&S-Verlag, Berlin 2009,
ISBN 978-3-936962-46-8; 24,80



Dieses Buch gibt erstmals einen Überblick über die Geschichte der unterhaltenden Musik im Berlin der Nachkriegsjahre und in der Zeit des Kalten Krieges. Massiv gefördert durch die Alliierten, avanciert die kriegszerstörte Hauptstadt nach 1945 innerhalb kürzester Zeit erneut zu einem Zentrum der deutschen Unterhaltungsmusik. Sie knüpft damit an Traditionslinien an, die von Paul Linckes »Berliner Operette« bis zur Blütezeit der Leichten Muse in den ‚goldenen' zwanziger Jahren reichen. Der Mauerbau 1961 und nicht zuletzt auch die immer stärkere Hinwendung der Jugend zur Rock- und Popmusik setzen dieser Entwicklung ein jähes Ende.

Anlass für diese erste systematische Auseinandersetzung mit der Unterhaltungsmusik im Nachkriegs-Berlin ist der Geburtstag des Komponisten und Dirigenten Hans Carste, der sich am 5. September 2009 zum 100. Mal gejährt hätte. Carste wie auch viele seiner Kollegen und Zeitgenossen sind heute fast vergessen, ihr umfassendes Schaffen in den Tiefen der Rundfunk- und Tonträgerarchive verschwunden. Dabei ist Hans Carste, genauer gesagt wenige Takte seines Schaffens, täglich im Programm der ARD präsent, wenn die »Tagesschau« durch eine kurze, sechs Akkorde umfassende Fanfare angekündigt wird. Carste war vielseitig wie nur wenige seiner Generation, ein Grenzgänger zwischen ernster und unterhaltender Musik, der von Operetten über Filmmusik, konzertanten Suiten bis hin zum schnelllebigen Schlager alles schreiben konnte und dabei stets einer Maxime treu blieb: »Leichte Musik kann man nicht ernst genug nehmen.«

Das hier aufgeschlagene Kapitel der Berliner Unterhaltungsmusik ist mit klangvollen Namen von Komponisten, Textdichtern, Instrumentalisten, Sängern oder Orchesterleitern verbunden, darunter Fried Walter, Werner Eisbrenner, Eduard Künneke, Theo Mackeben, Gerhard Winkler, Heino Gaze, Gerhard Froboess, Gerd Natschinski, Klaus Wüsthoff, Friedrich Schröder, Günter Schwenn, Curth Flatow, Bruno Balz, Hans Bradtke, Werner Müller, Horst Kudritzki, Otto Dobrindt, Georg Haentzschel, Kurt Widmann, Macki Kasper, Ilja Glusgal, Bully Buhlan, Rita Paul, Renate Holm, Peter Rebhuhn, Botho Lucas und sein Trio, Friedel Hensch & die Cyprys, die kleine Cornelia Froboess, Detlev Lais, die Drei Travellers, Gerd Golgowsky, Helmut Zacharias, Fritz Schulz-Reichel, besser bekannt als der »schräge Otto«, das Sunshine Quartett oder Ingeborg von Streletzky.

Die Geschichte der Unterhaltungsmusik reflektiert immer auch den sich verändernden Zeitgeist, das wandelbare politische, wirtschaftliche und kulturelle Geschehen der Metropole. Von daher wird der Band ergänzt um einen Blick auf die institutionellen Rahmenbedingungen für die Entstehung und Verbreitung unterhaltender Musik: auf populäre Aufführungsorte, auf Produzenten und Labels und insbesondere auf den Wiederaufbau des Berliner Rundfunks in der Nachkriegszeit. Die Schlaglichter, die mit vorliegender Publikation gesetzt werden, sollen Ausgangspunkte für weitere Beschäftigungen mit Komponisten, Interpreten, Textdichtern und Institutionen sein, zu denen bis heute nur wenig Literatur vorliegt. Mit vielen, größtenteils unveröffentlichten Bildern aus Privatarchiven.

Auf CD: Die größten Erfolge von Hans Carste


Leseproben:

Ein kurzer Textauszug aus dem Buch findet sich hier.

Ein kurzer Bericht zum Leben von Hans Carste findet sich hier.


Rezensionen:

»Als die junge Cornelia Froboess »Pack die Badehose ein« sang,
konterte der Osten mit dem Song »Schließ die Badehose
ein«. Es sind vor allem solche Anekdoten, die Martin Lückes
Buch lesenswert machen.«

(Welt am Sonntag, 24. April 2010)

»Mit diesen Einschränkungen bietet Lückes Buch eine hervorragende Dokumentation einer Szene, die eben nie "nur" eine Jazzszene war, sondern in Funktion und Selbstverständnis weit populärer angelegt als reine Jazzmusiker das hätten wahrhaben wollen.«
(Wolfram Knauer, 2012)

»Trotz großbogigen Panoramablicks wartet Lücke mit vielerlei Substanziellem, sei es biographisch, handwerklich oder auch anekdotisch, auf.«
(Andreas Vollberg, in: Forum Musikbibliothek 31, 2010, S. 67f.)